Wie kann ich in 100 Tagen rund 10'000 Kilometer mit einem minimalen Energieverbrauch zurücklegen? Ich machte mich am 28.2. mit einem Flyer Elektro-Fahrrad S-Serie mit Anhänger auf den Weg. 99 Tage, 10421 Kilometer und 21 Länder (alle EM-Teilnehmerstaaten plus einige auf dem Weg) später treffe ich wieder in Bern ein. Der Flyer hat für die 10'421 Kilometer Strom für rund 10 Euro verbraucht! Dieser Strom wurde als grüne Energie in der Schweiz in das Netz gespeist, womit die Reise klimaneutral war. Weitere Infos >>

Freitag, 25. April 2008

Route ueberarbeitet

Neu fuehrt die Route nicht ueber Zagreb, nur der Grenze entlang, Wien, Prag, Berlin, Kaliningrad (ohne Warschau), Gdansk (ohne Riga) und dann steht Stockholm als Puffer zur Verfuegung. Die Strecke musste ich anpassen weil ich bereits viel zu viele Kilometer zurueckgelegt habe und die Strecken z.T. weiter sind als geplant.

Tag 58: Sannicolau Mare - Szeget (37 km)

Bei wiederum schoenem Wetter und warmen Temperaturen machte ich mich in Richtung Grenze zu Ungarn auf den Weg (bzw. fuer einmal richtige Strasse). Ich hatte ausgiebig gefruehstueckt und freute mich, wollte einen langen Tag absolvieren, fuehlte mich gut. Der Grenzuebertritt verlief problemlos und als erstes begruesste mich ein Radweg, der erste seit einigen tausend Kilometern! Eine freudige Ueberraschung. Im ersten Dorf nach der Grenze, nach 37 Kilometern hoerte ich ein Kratzen und dann gab es einen Ohrenbetaeubenden Knall - der Reifen war geplatzt und hatte die Felge regelrecht in Stuecke gerissen. Ursache unbekannt... Ein sehr hilfsbereiter Herr fuhr mich zum naechsten Fahrradmechaniker und danach in die Pension, bis Morgen sollte alles wieder repariert sein - hoffe ich. So komme ich dazu eine ungeplante Stadt kennenzulernen und meine Waesche nach rund zwei Wochen mal wieder zu waschen, sowie die Route neu zu planen. Und hier gibts sogar akzeptablen Cremeschnitte-Ersatz!

Tag 57: Lugos - Sannicolau Mare (131 km)

Rumaenien schien wirklich zu meinem "Hotel California" zu werden, einem Ort den man nicht verlassen kann. Die ersten 60 Kilometer der Strecke waren wiederum katastrophal und ich hatte die Nase wirklich voll, kaempfte mich aber mit Musik in den Ohren durch. Immerhin war das Wetter wieder super. Als die Strasse endlich gut wurde war der Wind so stark, dass ich trotzdem nicht wirklich voran kam und auch die Natur nicht wirklich geniessen konnte. Ich lenkte mich mit lustigen Fragen ab und unterhielt mich damit selbst ein wenig. Eigentlich wollte ich heute wieder rund 150 - 160 Kilometer zuruecklegen, hatte dann aber genug und fand ein Motel mit sehr lustigen Betreibern, die mich mit einem Bier aufmunterten (ich fuehlte mich ziemlich beduselt, so direkt nach dem Fahren) und mich am Abend mit ihrem Essen fuetterten als sie sahen, dass ich an der einen Portion nicht wirklich genug kriegte. So kam ich zu absolut authentischem rumaenischem Essen und lernte sehr nette Rumaenen kennen.

Tag 56: Turnu Severin - Lugos (162 km)

Wilkommen aus der Strassenhoelle Rumaeniens. Die ersten Kilometer verliefen gut, ich fuehlte mich in guter Form und kam gut voran. Dann begann die Strasse schlechter zu werden, d.h. normaler rumaenischer Standard. Ich bewundere wie die die Strasse um all die Schlagloecher bauen koennen! Ich lachte mich halb tot als ich in einer Baustellenzone war (wo sie sogar wirklich arbeiteten) und zwei Baustellen so nahe beieinander anlegten, dass sich der einspurige Verkehr gegenseitig in die Quere kam und blokierte. Allerdings verging mir das Lachen bald, solche Situationen scheinen normal zu sein, deswegen war ein Grossteil der Strasse einfach in katastrophalstem Zustand, zum Teil einfach nur Dreck - und das auf einer Nationalstrasse. Ich kaempfte mich weiter, schuettelte nur noch den Kopf und fand die Situation so besch...eiden, dass es schon fast wieder lustig war. Als die Strasse nach 110 harten Kilometern endlich besser wurde zog ein brutales Gewitter auf. Zuerst brachte ich mich unter einem Dach in Sicherheit, entschied mich dann trotz allem weiter zu fahren, weil ich unbedingt nach Lugos wollte. Der Regen wurde schlimmer und nach total 135 Kilometern musste ich anhalten, weil eine Weiterfahrt unmoeglich war, aber mein Dickschaedel liess es nicht zu, so fuhr ich wieder los. Zu allem hin wurde die Strasse wieder schlechter, ich fuhr voller Erschoepfung entgegen, genoss es aber irgendwie (muss mir das Angst machen?). Wie in einem Delirium erreichte ich endlich Lugos, nach 9 Stunden haertester Fahrt (reine Fahrzeit) und fuehlte mich wirklich stolz. Nach einer waermenden Dusche gab ich dem Magazin des Touring Clubs noch ein Interview, bevor ich mir das wohlverdiente Nachtessen goennte.

Dienstag, 22. April 2008

Tag 55: Calafat - Turnu Severin (59 km)

Heute wollte ich mir einen ruhigen Tag goennen und fuhr gemuetlich in der schoen warmen Sonne. Nach 50 Kilometern als ich essen wollte traf ich auf einen schwedischen Tourenfahrer, der erste seit langem. Wir assen zusammen und tauschten Erfahrungen aus, beide genossen das Treffen, dann machten wir uns beide in entgegengesetzter Richtung weiter auf den Weg, um dem drohenden Unwette zu entkommen. Nach 9 weiteren Kilometern erwischte es mich volle Breitseite, es begann aus Kuebeln zu giessen. Da hielt ein Lastwagenfahrer an und bot mir an mich mitzunehmen, ich nahm die Einladung an und liess mich die fehlenden 40 Kilometer mitnehmen. Er war sehr lustig und ein aeusserst positiver Mensch, ich genoss die Fahrt in stroemendem Regen und wurde sehr muede, welch ein Unterschied so oder mit Rad zu reisen.

Tag 54: Orjehovo - Calafat (140 km)

Ich entschied mich spontan nicht wieder die Faehre zurueck zu nehmen, sondern auf der bulgarischen Seite weiter zu fahren, die Natur war weiterhin beeindruckend, die Strasse weniger. Zudem war sie schlecht beschriftet, einige Male nahm ich nur per Zufall die richtige Strasse oder fragte im richtigen Moment. Ansonsten war der Tag recht ereignislos, das Wetter weiterhin hervorragend, sonnig bei fast 30 Grad. Ich freute mich auf Radio Argovia ein Update meiner Reise geben zu duerfen (wird noch hochgeladen).
Auf der Faehre lernte ich noch einen bulgarischen Kuenstler kennen, der waehrend den Solothurner Literaturtagen seine Bilder und Buchillustrationen vorstellt, ich weiss aber weder seinen Namen noch weiss ich wo er dies tut. Falls ihr ihn aber trefft, bestellt ihm liebe Gruesse von mir, und danke fuer den Kaese.
Wieder in Rumaenien erhielt ich wieder gemischte Reaktionen. Leider gab es in diesem Ort nur ein Hotel das noch in Betrieb war, und dieses war ziemlich teuer. Ich zahlte mit Zaehneknirschen genoss aber das riesige super bequeme Bett und die Sonne die mich am Morgen weckte, als sie mir ins Gesicht schien.

Tag 53: Svistov - Orjehovo (150 km)

Frueh am Morgen ging ich auf die Faehre, bei super Wetter war ich von Beginn weg in kurzen Hosen unterwegs. Dann war ich endlich in Rumaenien. Die Strassen schienen hier nicht besser als in Bulgarien, doch sah ich noch mehr Kutschen und viele Radfahrer. Nach etwa einer Stunde schaute ich einem lokalen Sonntag-Morgen-Fussballspiel zu und staunte, dass die sich auf diesem Acker von Fussballfeld nicht reihenweise die Baender reissen! Viele Zuschauer waren vor Ort, selbst die Dorfpolizei. Weiter ging es durch die Donaulandschaft, wo es nicht viel anderes als die Landwirtschaft zu geben scheint. Ueberall waren Bauern, viel Schaf-, Ziegen- und Kuhhirten die zum Teil nur ein Tier bewachten und einfach nur warteten. Da Sonntag war sassen alle Leute am Strassenrand und plauderten, oder starrten einfach nur in die Leere. Je weiter ich kam, desto mehr Menschen winkten mir zu und gruessten mich, schrien mir teils gar nach und eine Polizeistreife machte alles zusammen, liess sogar die Sirene kurz an um mich zu gruessen. Da lache ich mich jeweils halb tot und freue mich riesig. Anstrengend war die Strasse, die schlecht war und einmal ploetlich nur noch Schotter. Zudem gab es einige Idioten unter all den freundlichen Menschen, die mir Schimpfworte nachriefen, einer zeigte mir grundlos den Finger, und am schlimmsten waren zwei Jungs die mir in einem Auto entgegenkamen und so lange auf meiner Spur fuhren bis ich auf das Feld auswich waehrend sie im Auto grinsten. Ich fluchte wie ein wilder! Aber ich lasse mich durch die wenigen schlechten Reaktionen nicht entmutigen, geniesse die positvien Reaktionen um so mehr, bin aber auf jeden Fall etwas vorsichtiger. Mein Etappenziel sollte eigentlich ein Hotel haben, dieses war jedoch geschlossen. Alles war etwas kompliziert, am Ende nahm ich die Faehre und fuhr zurueck auf die bulgarische Seite um dort in einem Hotel zu schlafen, sehr ermuedend und aergerlich, insbesondere weil ich eigentlich fuer einmal schon sehr frueh angekommen war. Aber Rumaenien scheint begrenzte touristische Kapazitaeten zu haben, deswegen muss ich meine Etappen jetzt etwas besser planen.

Tag 51: Popovo - Svistov (100 km)

Wieder fuhr ich durch traumhaftes Gruen auf teils guten teils sehr schlechten Strassen, und war frohen Mutes heute noch in Rumaenien zu sein. Ich hoerte den ganzen Tag Musik und sang viel, ueberholte Kutschen und genoss die warme, gut riechende Luft in meinem Gesicht. Am Nachmittag verzog sich die Bewoelkung und super warmes Wetter mit strahlendem Sonnenschein erwaermte meinen Koerper, ich genoss den Fruehling. Nach 90 Kilometern war es soweit, ich erreichte die Donau, ein beeindruckender Anblick. Nach weiteren 10 Kilometern entlang der Donau erreichte ich Svistov, wo ich die Faehre nach Rumaenien nehmen wollte. Leider faehrt diese nur 2 Mal taeglich, und ich war natuerlich zu spaet dran. So suchte ich mir hier ein Hotel, es gab genau eines und dies war ausgebucht. Ich versuchte einen Taxifahrer zu fragen wo es denn ein anderes gaebe, da kam ploetzlich eine Frage auf schweizerdeutsch von einer ankommenden Person. Zuerst voellig perplex, dann froh, begann ich mit Reto zu sprechen. Er hat einen Auftrag in der angrenzenden Zellulosefabrik und lud mich ein in dem Zimmer, das er mit einem Bulgaren teilte, zu naechtigen. Welch super Geste! Ich nahm dankend an. Wir verbrachten den Abend zu viert, zwei Schweizer und zwei Bulgaren, tranken Bier und Wein, assen hervorragendes Essen und diskutierten viel, eine sehr spannende Begegnung. Und vielen Dank fuer die Offenheit an Reto!

Tag 51: Varna - Popovo (160 km)

Nach der ausgiebigen Stadtfuehrung konnte ich mich erst etwas spaeter erheben, zudem liess mich der Regen nicht zur Eile treiben. Die Fahrt aus Varna liess meine Lunge mal wieder 5 Raucherjahre altern, aber einmal auf der Landstrasse war ich wieder von der bulgarischen Natur ueberrascht, einfach wunderschoen, und kaum Fahrzeuge. Mit Hilfe von meinem Vater versuchte ich noch meinen Pass zu organisieren, der etwas lange auf der russischen Botschaft lag, damit ich durch Serbien fahren kann. Leider war dies nicht auf sinnvolle Weise moeglich, so werde ich ueber Ungarn fahren und leider nur wenig von Kroatien (und gar nichts von Serbien) sehen.
Am Mittag braetelte ich zudem noch meinen Kocher, weil ich Benzin statt Alkohol gekauft habe (war in kyrillisch angeschrieben, wie alles in Bulgarien). So wurde die Pasta eher schlecht und der Topf eher schwarz...
Der Tag zog sich in die laenge, mein Gesaess schmerzte durch die zum Teil wieder katastrophalen Strassenverhaeltnisse wieder mal ziemlich stark, man muss hier immer wieder mit riesigen Loechern oder Graeben, Haufen oder Flickenteppichen rechnen, was selbst Abfahrten brutal anstrengend machen kann. Auf jeden Fall erreichte ich mein Ziel spaet nach 9, wurde aber durch ein schoenes Zimmer und ein super Nachtessen belohnt.